Film-Mission Fletschhorn Nordwand Solo

Filmen für Shades of Winter

Zur Vorgeschichte. Im Herbst/Anfang Winter 2013 wurde ich von meiner langjährigen Wegbegleiterin, Teammanagerin bei Fischer und Freundin Sandra Lahnsteiner gefragt, ob ich Interesse hätte, in ihrem neuen Film “Shades of Winter 2”, eine der Hauptprotagonistinnen für das Skihochalpin-Segment zu sein. Ich sagte zu und mit Nadine Wallner, mittlerweile zweimalige Gewinnerin der Freerideworldtour und erfahrene Skialpinistin, war die perfekte Partnerin gefunden. Die Matterhorn Ostwand mit Skiern hatte es uns angetan, doch erstens kommt es meist anders und zweitens wie man denkt…

Nadine verletzte sich leider schwer im April beim Filmen in Alaska (Schien-, und Wadenbeinbruch) und somit war sie leider out of order. Da das gesamte Filmprojekt auch von Völkl unterstützt wird, war klar, dass meine Bergpartnerin für dieses Projekt in der Völkl-Familie bleibt. So war Christina Lustenberger im Gespräch. Wir kommunizierten fleißig online, tauschten Ideen über verschiedene Möglichkeiten aus und verstanden uns gut. Jedoch für eine solche Aktion mit einem Menschen am Berg unterwegs sein den man überhaupt nicht kennt? Wo man keine Ahnung hat wie ihre Fähigkeiten am Berg wirklich sind? Nur weil sie eine gesponserte Athletin ist, muss dies noch lange nichts bedeuten. In der Freeride Szene gibt es genügend Selbstvermarktungsgenies deren Mundwerk viel größer ist, als deren Fähigkeiten am Berg…

Und wieder kam es anders. Das Film-Team bestehend aus Sandra Lahnsteiner, Mathias Bergmann und Mario Feil hatte auf meinen Alternativvorschlag “Befahrung der Fletschhorn Nordwand” positiv reagiert und nun stand der Plan. Dienstag Besichtigung Fletschhorn, Mittwoch nach Chamonix, Donnerstag mit Lusti treffen, Freitag/Samstag filmen.

Das war der Plan. Dann kam es wieder anders. Am Dienstag eine Email von Lusti. Sie ist vom Fahrrad gefallen, Gehirnerschütterung, kommt nicht. Dann die Frage von Sandra. Allein oder abblasen? Nach kurzer Überlegung, vor allem aber nach der intensiven Vorbereitungsarbeit alles abblasen? Nein. Ich gehe alleine.

Montag 5. Mai 2014

Vom gemeinsamen Bergabenteuer am Cima di Rosso mit Liz fahre ich weiter Richtung Simplonpass. Am Splügenpass liegt noch meterhoch Schnee. Meine grobe Google Maps Straßenbeschreibung bringt mich bis nach Locarno. Und dann? Simplonpass ist nirgendwo angeschrieben. Man sollte wissen, dass man nach “Sempione” Ausschau halten muss 😉
An einer Tankstelle erfrage ich bei der netten Dame hinter der Kassa den Weg. Natürlich spricht sie nur italienisch, doch ein paar Brocken kann ich ja noch… Sie muss ihren Freund anrufen, denn auch sie weiß nicht genau wo ich hin muss. Geht dann doch. In der Dunkelheit erreiche ich den Simplonpass. Eine Militärübung am nahegelegenen Militärstützpunkt unterhalb des Passes erhellt den Himmel. Schräg und schön zugleich. Ich übernachte im Auto. Am nächsten Morgen ist das Fletschhorn noch in Wolken gehüllt. Ich habe Glück. Der Nebel lichtet sich. Die Wand kommt zum Vorschein. Sieht gut aus von der Ferne.

Fletschhorn Nordwand
Fletschhorn Nordwand

Das Team wird upgedated. Die Cineflexx Kamera ist bestellt. Filmaktion Freitag/Samstag. Aufgrund des wechselhaften Wetters ist der last Call ob JA oder NEIN für Donnerstag vormittag vorgesehen. Der Druck auf alle steigt. Vor allem weil hinter diesem Projekt sehr viel Geld steckt. Dessen bin ich mir bewusst.

Ich fahre nach Zermatt. Will mir vor Ort die Verhältnisse am Matterhorn ansehen. Gut. Nun kann ich mit der Gewissheit leben, dass es heuer keine Befahrung der Ostwand gibt. Einfach zu wenig Schnee in der Wand.

Checke bei Rosi in Herbriggen ein. Dort wo ich den Sommer über wieder arbeiten werde. Das Telefon glüht. Mit Sandra bin ich in engem Kontakt über die Verhältnisse. Ich bin müde.

Mittwoch 7. Mai 2014

Schlechtwettertag im Wallis. Es regnet. Schneefallgrenze auf 3200m. Nachdem feststeht dass Lusti nicht kommen wird, wird es statt Chamonix der Lago Maggiore. Wasser statt Berg für einen Tag. Auch gut.

Verbania/Lago Maggiore
Verbania/Lago Maggiore

Sehr empfehlenswerte Jugendherberge für den kleinen Geldbeutel in Verbania. Alte Villa mit Blick auf See. Lage etwas außerhalb des Zentrums, ca 10 Gehminuten ins Zentrum.

Donnerstag 8. Mai 2014

Lago Maggiore – Simplonpass. Diese Strecke kenne ich mittlerweile recht gut. In Egga, dem Ausgangspunkt für die Tour halte ich, blicke mit dem Fernglas in die Wand, sieht immer noch gut aus. Zwar nicht mehr so gut wie am Dienstag, aber immer noch in Ordnung. Es befinden sich zwei alte Spuren im Face. Oben weht ein kalter Wind. Um 10 Uhr ein Telefonat mit Kameramann Mathias Bergmann – GO!

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Da das Team erst spät am Abend ankommen wird, entscheide ich mich wieder zurück an den Lago Maggiore zu fahren. Die 45 Autominuten und das Dolce Vita sind es mir Wert. Sonne tanken, am See sitzen, Pizza und Gelati essen, relaxen, lesen. So tanke ich Energie für die große Mission.

Gegen Abend fahre ich dann nach Raron/Wallis. Nahe der Helibase übernachten wir im Rarnerhof. Auch sehr zu empfehlen! Mathias, Sandra und Gernot kommen erst spät in der Nacht an…

Freitag 9. Mai 2014
Gemeinsames Frühstück, Zusammenkunft mit Bergführer Thomas Odermatt (zuständig für die Sicherheit am Berg vom Kamerateam), Fahrt zur Helibase der Air Zermatt in Raron, Klärung letzte Details, Weiterfahrt über den Simplonpass nach Egga.

ein weiter Weg steht uns bevor...
ein weiter Weg steht uns bevor…

1400 Höhenmeter bis zum Fletschhornbiwak. Je höher wir kommen, desto stärker bläst der Wind. Sandra, Gernot und Mathias haben sehr schweres Gepäck am Rücken. Kamerastativ, Akkus, Essen, etc…

Nach ca. 5 Stunden inkl. kurzer Filmstopps erreichen wir das Biwak. Leider sind wir nicht die Einzigen. Insgesamt sind 7 weitere Bergsteiger im Biwak. Wir sind 5 Personen. Das Biwak bietet auf 10qm² Unterkunft für 9 Personen. Die Rechnung geht nicht auf. Eine Entscheidung muss her. Sandra ist total aufgelöst, schließlich war sie noch nie auf einem Biwak, wollte bei der morgigen Filmaktion hautnah dabei sein. Wir können sie überzeugen nicht aufzugeben, stattdessen mit Bergführer Thomas und Freund Gernot zurück ins Tal zu fahren und das Geschehen von der Ferne mit dem Fernglas zu beobachten. Eine Biwakschachtel ist kein Hotel. Man kann nicht vorreservieren, muss sich mit den Gegebenheiten arrangieren. Die Berge sind für uns alle da. Manchmal muss man eben Kompromisse eingehen.

Gemeinsam mit Mathias belege ich die letzten zwei Plätze im Biwak. Bis sich die Anderen in die Kojen legen dauert es noch ein wenig. Draußen pfeift der Wind, es ist sehr kalt. Schnee schmelzen, etwas Warmes kochen und dann in voller Montur in die Koje. Irgendwann in der Nacht fällt mir ein, dass mein LVS-Gerät noch eingeschalten ist-ich schalte es aus 😉 Wenigstens sind genügend Decken vorhanden und somit ist es im Biwak halbwegs warm. Draußen bläst fast orkanartig der Wind, zwei Männer schnarchen, irgendwann schreit jemand in der Nacht laut auf, ich bringe kein Auge zu. Zu laut ist der Wind und das Schnarchen der Männer. Wäre das Biwak nicht mit Drahtseilen fixiert, ich hätte glauben können, das Biwak fliegt davon…

Samstag 10. Mai 2014

4 Uhr morgens. Die ersten Bergsteiger beginnen sich fertig zu machen. Ich habe kein Auge zubekommen. Draußen bläst noch immer sehr stark der Wind. Gegen 5 Uhr starten die ersten 3. Dann später Vater und Tochter Richtung Sengchuppe, gegen 6.30 Uhr die zwei Frenchies. Zu Sonnenaufgang fliegt das erste Mal der Helikopter mit der Cineflexx Kamera. Der Wind lässt nach. Es sieht gut aus.

Gegen 8 Uhr quere ich mit Mathias den Rossbodengletscher. Nun bleibt Mathias zurück. Filmt vom Gletscherbecken aus. Ich bin jetzt alleine unterwegs. Die ersten 150 hm ist es mir noch möglich mit Fellen zu gehen, danach wechsle ich auf Steigeisen, später dann auf beide Eisgeräte. Der erste Skifahrer kommt mir entgegen. Mit ihm viele Eisbälle, wo ich aber gottseidank nicht getroffen werde. Es ist unser deutscher “Tourenfreund” aus Karlsruhe, der sich am gestrigen Abend nicht gerade nett zu unserer Ankunft geäußert hatte. Hier sein Eintrag auf Gipfelbuch.ch:

http://www.gipfelbuch.ch/gipfelbuch/detail/id/66600

Kein Kommentar. Nur soviel: die Berge sind für uns alle da, niemand hat Besitzanspruch darauf! Ich verstehe aber auch den Unmut. Man geht in die Berge um Ruhe zu finden und dann kommt ein Hubschrauber und stört die Ruhe… Jedoch war dies nicht den ganzen Tag der Fall, sondern es handelte sich um insgesamt max. 30 Minuten… Egal. Passiert. Jedem kann man es nicht Recht machen. Das ist so.

Ich komme gut voran. Das obere Drittel der Wand ist anspruchsvoll. 50 Grad steil. 5 bis max. 10cm Firnschnee auf rauhem Blankeis. Jene zwei Skifahrer die an diesem Tage die Wand befahren, müssen das erste Drittel abrutschen, erst dann können sie fahren… Zwei weitere klettern das erste Drittel der 600 hm langen Wand ab und schnallen sich erst dann die Skier an.

Der Heli überfliegt mich ein zweites Mal, die Kommunikation mit der Crew klappt bestens, ich durchsteige die letzten Höhenmeter der Wand. Geschafft. Der Gipfel ist an diesem Tag nicht mehr mein Ziel. Wir möchten das Sonnenfenster nutzen. Die Befahrung bei guten Sichtverhältnissen ist mir wichtiger. Somit bleibt mir 15min Zeit um “umzupackln” und mich bereit für die Abfahrt zu machen.

Der Heli kommt ein weiteres Mal. Ich sehe Sandy wie sie aus dem Heli winkt. Ich bin ganz ruhig. Keine Nervosität. Gar nichts. Ich vertraue auf meine Fähigkeiten, weiß was ich tue. Der erste Schwung, übers Eis, kurzer Stopp, mich sammeln. Weiter geht’s. In großen Schwüngen und möglichst schnell über das knapp bedeckte Eis, damit ich nicht ausrutschen kann. Zwei weitere Male bittet mich der Kameramann stehen zu bleiben, damit er die Kamera richtig positionieren kann. Ich habe recht gute Verhältnisse, macht Spass! Zwar ist im unteren Bereich ein von Windgangeln bedecktes riesiges Schneefeld, doch ich suche mir die besten Verhältnisse aus und fahre dort hinunter. Yes. Geschafft!

Hier sind die eindrucksvollen Bilder von Fotograf Sebastian Marko:

http://www.limeximages.com/de/team/sebastian-marko/

http://www.e-adrenaline.fr/neige/actualites/shades-of-winter-2014-melissa-presslaber-en-freeski-a-3000-metres-d-altitude/4140

Am Biwak warte ich auf Mathias. Der Hubschrauber fliegt ein allerletztes Mal über mir und dann ist auch schon wieder die Action vorbei. That’s it, that’s all.

Die Abfahrt bis kurz vor Egga mit Mathias und Thomas wird noch recht amüsant, denn der Schnee ist komplett durchfeuchtet und mit meinen breiten Skiern bremst dies natürlich höllisch. Egal. Bald erreichen wir Egga wo Sandra und Gernot auf uns warten. Alle happy, alle zufrieden, glücklich! Was für ein Abenteuer!

Danke an alle, die an diesem Projekt beteiligt waren! Es war mir eine große Freude!

Sandra, SamCam, Thomas, Gernot, Basti
Sandra, SamCam, Thomas, Gernot, Basti

Wer noch französisch kann, dem seien diese Blogeinträge empfohlen (von den zwei französischen Jungs die auch an diesem Tag die Wand durchstiegen sind…):

http://www.skitour.fr/sorties/fletschhorn,59116.html#sortie

8-10 Mai 2014 : Face Nord du Fletschhorn (#steepskiingmovie)