Hochfeiler Nordwand Solo

Es gehört eine Portion Mut, viel Erfahrung, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und eine sehr gute Selbsteinschätzung dazu, um alleine in die Berge aufzubrechen. Besonders wenn man sich anspruchsvolle Ziele sucht. Passieren kann immer etwas, denn die Berge haben ihre eigenen Gesetze. Dessen bin ich mir bewusst. Trotzdem breche ich manchmal gerne alleine auf. Dann bin ich zu hundert Prozent auf mich alleine gestellt. Tourenplanung, Einschätzen der Schneeverhältnisse, Wetter, etc. Die Entscheidungsfindung liegt ganz bei mir. Vielleicht ist dies der Reiz. Oder einfach nur das noch intensivere Bergerlebnis…

Dienstag 20. Mai 2014

Mit dem Auto geht’s gemütlich von Innsbruck nach Stein und weiter entlang der Pfitscherjoch Strasse bis zur Kehre 3. Dort lasse ich mein Auto stehen, packe meine Sachen und marschiere los Richtung Günther-Messner Biwak.

Auf geht's...
Auf geht’s…

Bin doch etwas verwundert dass gar kein Auto hier parkt? Bin ich wirklich ganz allein? Mit Sack und Pack wandere ich ca eine Stunde taleinwärts bis ich nach Bachdurchquerung und Turnschuhdepot endlich mit Fellen weitermarschieren kann. Die heavy load am Rücken (Rucksack, Ski, Skischuhe, etc) ist immer hardcore, umso angenehmer geht es nun voran. Bis auf ein paar Murmeltiere ist hier keine Menschenseele unterwegs.

Die Biwakschachtel unterhalb der eindrucksvollen Hochferner-Nordwand ist bereits erkennbar. Nur noch wenige Höhenmeter und ich hab mein heutiges Zuhause erreicht.

Gegen 19.30 Uhr bin ich am Biwak. Niemand da. Die Biwakschachtel ganz für mich allein. Herrlich. Kein Trubel, kein Gedränge, kein Lärm. Seelenruhig kann ich meine Jause verköstigen und im Hüttenbuch lesen…

Den Wecker stelle ich auf 4 Uhr, damit ich spätestens um 5 Uhr starten kann. Durch die Tageserwärmung möchte ich keinesfalls zu spät dran sein. Ich hülle mich mit 4 Decken ein, schließlich ist ja niemand anderer da. Somit gibt es keine schnarchenden Menschen die nerven.

Gegen 9 Uhr lege ich mich schlafen. Plötzlich höre ich Geräusche. Es sind Stimmen. Aus ist es mit der Ruhe. 2 junge Bergsteiger leisten mir nun Gesellschaft. Sie möchten morgen die Hochferner Nordwand machen. Zu Fuß, ohne Ski. Nette Jungs mit denen ich mich gut unterhalte. Nachdem sie noch etwas gekocht und gegessen haben wird es wieder ruhig und wir legen uns alle hin. Wenigstens ist es nicht kalt im Biwak. Aber schlafen kann ich trotzdem nicht. Der Polster ist steinhart. Na ja, so döse ich dahin. Plötzlich höre ich wieder Stimmen von draußen. Um diese Uhrzeit? Gegen 23 Uhr kommen nochmals 3 Personen hinzu. Hääää??? Die zwiderne Kathl hält wohl nichts von Rücksichtnahme auf andere Personen. Es wird fotografiert und gelacht im Biwak und natürlich sind wir nun alle wieder wach. Wenigstens meine Decken kann ich behalten. Entspannten Schlaf finde ich keinen…

Mittwoch 21. Mai 2014

Gegen 4 Uhr dann die Erlösung. Der Wecker klingelt. Ich esse entspannt mein Frühstück während die zwiderne Kathl schon wieder laut und gescheit herum redet und den ganzen Platz blockiert. So eine unsympathische Bergsteigerin habe ich wirklich noch nie “kennen” gelernt 😉 Vielleicht ist sie auch nur unentspannt. Wer weiß…

Kurz vor 5 Uhr geht es dann vom Biwak Richtung Griesscharte (2810m). Die Drei sind vor mir unterwegs. Auch gut dann bleibt mir die Spurarbeit erspart. Wobei dies heute kein Problem ist. Nur der Nebel bereitet mir ein klein wenig Sorgen. Jedoch nur kurz, denn er lichtet sich sobald ich Richtung Rötkees abfahre.

Wunderschöner Sonnenaufgang Richtung Zillertaler Alpen. Die Drei sind immer noch vor mir aber in Sichtweite.

Es folgt bei den Dreien ein kurzer Abstieg durch eine Rinne. Der Schnee ist recht durchweicht und die arme Kathl bleibt mit einem Bein hängen. Nach Gejammer und Trara kann sie sich dann doch selbst befreien. Mit ihrem Partner beginnt eine unmögliche Diskussion. Sie ist mit der Situation eindeutig überfordert. Eigentlich bin ich ja alleine unterwegs, aber ich finde es sehr interessant was hier alles passiert. Der Tiroler Kollege schmunzelt nur über die Ereignisse. Wir unterhalten uns ein wenig und gehen dann weiter.

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Bis zum Bergschrund lässt es sich bestens mit Tourenskiern gehen. Einziges Problem sind die nassen Felle die Kiloweise Schnee anstollen und so irgendwann ein Weitergehen nicht mehr zulassen. Ich baue mir einen Standplatz und lasse die anderen Männer vorbei. Und wer genau macht sich oberhalb von mir breit? Ohne Rücksicht auf mich? Richtig, die zwiderne Kathl 😉 Insgesamt sind es nun 3x 3 Seilschaften. Also recht viel los für einen Werktag. Nach den zwei Dreier Männerseilschaften reihe ich mich ein. Das erste Drittel der Wand verläuft gut und ich bin froh um die Trittspuren. Von oben kommen nun die ersten drei Tourengeher auf Skiern. Ich bin wirklich die Einzige die die breiten, schweren Latten den Berg hochträgt. Dafür ist mir Abfahrtsspaß garantiert und ich bevorzuge es einfach einen stabilen Ski unter meinen Füßen zu haben.

Es slufft ganz schön von oben und ich versuche aus der “Bahn” zu gehen. Zu spät. Von oben höre ich noch „Achtung“ und wusch prasselt mir ein heftiger „Sluffwasserfall“ auf den Kopf. Ich habe keine Chance, die Kraft des Schnees ist unbändig. Intuitiv halte ich mich am Pickel fest. Gottseidank kann ich mich daran klammern und werde nicht die Wand hinunter gespült. Meine Sonnenbrille (1 Monat alt, ausgerechnet in weiß) hat die Dusche leider nicht überlebt. Weg war sie. Nie wieder gesehen.

...nach der Schneedusche...
…nach der Schneedusche…

Der Tiroler Bergkamerad übernimmt nun die Spurarbeit (danke dafür), denn es ist alles weggeschwappt. Weniger die Anstrengung, aber der fehlende Schlaf zerren an meiner Leistungsfähigkeit. Schritt für Schritt geht es dennoch bergwärts.

Endlich. Geschafft. Ausstieg aus der Wand. Nun sind die drei Zillertaler abfahrtsbereit und ich sehe ihnen zu wie sie die ersten Schwünge doch eher zaghaft abrutschen, später dann aber die Abfahrt genießen. Die Eiswand gehört mit einer Steilheit von 55-60 Grad (im obersten Teil) zu den steilsten der Ostalpen. Zwar ist sie nicht so lang (360hm) aber dafür knackig.

Weiter geht es über den Grat zum Gipfelkreuz des Hochfeilers auf 3509m. Juhu! Happy!

what a day!
what a day!

Auch die drei Weggefährten kommen hoch und wir beglückwünschen uns zum Gipfelsieg. Zwei davon können es gar nicht glauben, dass ich ganz alleine unterwegs bin. Ist auch nicht zum Nachmachen;-) Erstens macht es mit dem richtigen Bergpartner einfach mehr Spass und zweitens ist man einfach nie vor alpinen Gefahren gefeit.

Kurzes Gipfelfoto und Verabschiedung, denn die Drei fahren Richtung Hochfeiler Hütte ab.

Geschafft! Am Gipfel des Hochfeilers!
Geschafft! Am Gipfel des Hochfeilers!

Ich steige den Grat wieder ab (ca 10min), esse ein Snickers und mache mich bereit zur Abfahrt. Es ist 10.30 Uhr. Die Verhältnisse in der Wand sind wirklich gut. Ungefähr 10 cm Neuschnee, darunter ist es hart und wechselhaft. Es slufft mit, aber nicht schlimm und so bin ich bald unten im Gletscherbecken. Den Versuch meine Brille zu finden scheitert innerhalb von einer Minute. Keine Chance. Na ja. Pech gehabt.

Ich fahre ab über das Rötkees und muss dann leider noch die 150 Höhenmeter bis zur Grießscharte hochstapfen. Die Sonne knallt herunter. Es ist wahnsinnig warm. Kleine Nassschneerutscher finden langsam den Weg ins Tal und ich bin heilfroh, dass ich endlich die Scharte erreiche. Nun geht es nur mehr hinunter. Vorbei am Günther-Messner Biwak bis zu meinem Schuhdepot. Diese packe ich ein und entschließe mich dem Bachverlauf zu folgen. Es liegt teilweise (nicht durchgängig, aber fast) noch genügend Altschnee, dass dies auf alle Fälle besser ist als das gesamte Material am Buckel wieder hinunter zu tragen. Da ich beim Aufwärts gehen bereits diese Abfahrtsvariante in Erwägung gezogen hatte, versuche ich es einfach. Über Stock und Stein, kaputte Bäume, alte Schneefelder geht es nun am Altschnee nahe dem Bach entlang.

Die letzten 15 min muss ich tragen und latsche durch den Dreck. Egal, das war mein letzter Ausritt im Schnee. That was it! Es war ein sensationeller Winter, ich bin super happy dass ich verletzungsfrei durch den Winter gekommen bin und dankbar dafür dass ich gesund bin!