Mitte Mai 2016
Nachdem ich von Chamonix zurück bin, trifft es mich gesundheitlich wieder einmal. Eine hartnäckige Verkühlung, nichts schlimmes, aber doch ein Zeichen, dass ich mal eine Ruhe geben soll… Doch bin ich arbeitstechnisch einige Tage gefordert und kann nicht ausfallen. So vegetiere ich vor mich hin, Tage später haut es mich dann komplett zusammen. Für Ende Mai ist das Zeitfenster zum Filmen für Sandras’ Skitrilogie Shades of Winter geplant. Bis dahin sollte ich wieder fit sein. Für den Film streben wir bereits seit zwei Jahren das Matterhorn an, um es auf die Kinoleinwand für Shades zu bringen.
Anfang Mai konnte ich mit Giulia, Liv und Lori dieses Projekt umsetzen und dieses kleine Video 4 Girls and a Matterhorn ist dabei entstanden. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit super netten Menschen. Ohne jeglichen Druck, nur aus der Freude am Tun, waren wir gemeinsam am Matterhorn. Jede von uns hatte bereits Jahre davon geträumt, einmal die Ostwand zu befahren. Dass wir ausgerechnet in einem reinen Frauenteam vor Ort waren, machte es nochmal spezieller…
Durch meine Erfahrungen am Matterhorn kann ich dem Produktionsteam wertvolle Informationen geben, die in der Planung eines solchen Projekts unerlässlich sind.
Die Vorbereitungen für das Matterhorn laufen. Nadine ist zurück aus Alaska. Die Crew steht bereit. Nun soll nur noch das Wetter mitspielen. Das Zeitfenster ist ab Montag dem 23. Mai angesetzt. Sandra liebäugelt damit, bereits am Sonntag in die Schweiz zu fahren, da der Wetterbericht Tage zuvor den Montag als besten Tag ansetzt. Doch ändert sich das Wetter ständig, die guten Wettertage verschieben sich nach hinten. Gut für uns, denn ich muss am Sonntag noch arbeiten, Nadine ist noch im Jet-lag von AK. Wir beide sind noch nicht bereit…
Freitag 20. Mai. Ich fahre mit dem Rad in die Stadt. Plötzlich ein Stich ins Knie. Wie so oft klemmt sich ein Gelenkkörper ein und verhindert weitere Bewegung. Diesmal wird es nicht gleich wieder besser. Das Knie schwillt an, ich bleibe bewegungseingeschränkt. Ich telefoniere mit Nadine, wir reden über ihre Abenteuer in AK, beifällig teile ich ihr meine Beschwerden mit, doch denke ich dass sich dies wieder verflüchtigt. Am nächsten Tag dann aber die Erkenntnis, nein, mein Körper schafft das nicht. Für solch ein Projekt muss ich topfit sein und das bin ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Das Knie ist weiterhin bewegungseingeschränkt, also muss ich Nadine und Sandra absagen. Es tut mir leid, im speziellen für Nadine, denn ich falle als Bergpartnerin aus. Und trotzdem macht sich eine Erleichterung breit, denn ich weiß welch große Belastung die Filmerei ist. Zum körperlichen Aspekt kommt auch die mentale Herausforderung und der große Druck hinzu nicht zu scheitern. Die äußeren Faktoren wie Wetter, Schneeverhältnisse etc spielen eine wesentliche Rolle, es ist ein nervenaufreibendes Spiel. Und eigentlich verdiene ich bei dem ganzen keinen Cent, denn das Sponsorengeld fließt in die Produktion. Ist es das wert? Im Herbst auf vielen Kinoleinwänden, im Fernsehen, Internet präsent zu sein, kurzen Ruhm zu genießen, im Mittelpunkt stehen? Ist es das was ich will? Ich kenne das ganze Prozedere von vor zwei Jahren. Natürlich schön, doch bin ich keine Person die im Mittelpunkt stehen muss. Das bin nicht ich. Durch mein Können und die Freude am Tun habe ich es im skifahrerischen Bereich bis an die Spitze geschafft. Als Endergebnis in dem hochwertigen Skifilm PURE vertreten zu sein ist natürlich ein großes Privileg und an dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Sandra für ihr Vertrauen bedanken! Sie hat im Skifilmbusiness durch harte Arbeit unglaubliches geschafft! Warum ich das alles bis dato so gemacht habe wie ich es tat – ganz einfach, weil ich es immer gerne gemacht habe. Schließlich habe ich das Privileg entscheiden zu können was ich in meinem Leben anstelle. Bis dato war eben das Skifahren ein sehr wichtiger Bereich…
Am Montag geht es für mich zu meinem Vertrauenskniearzt Dr. Fink. Wieder eine Spritze. Er meint wenn es bis zum Ende der Woche nicht besser wird, muss es wohl eine weitere Athroskopie werden…
Solange will ich nicht warten, denn die Zeit drängt. Am nächsten Freitag will ich mit Nadine und Andi nach Peru fliegen. Das habe ich noch nicht aufgegeben…
Ich fahre ins Krankenhaus nach St. Johann. Da ich spüre dass ich wieder unters Messer muss fahre ich auf eigene Faust dorthin. Eine weitere Operation in der Privatklinik kann ich mir finanziell nicht leisten, da mein Knie aus der Versicherung ausgeschlossen ist… Das KH St. Johann hat einen guten Ruf und ich möchte nicht auf die Uniklinik in Ibk…
Mittwoch 25. Mai 2016. Wie es der Zufall will hat an diesem Tag Dr. Haslauer Dienst, der mich später operieren wird. Nach Untersuchung und Röntgen steht fest, ich muss unters Messer. Und das so schnell wie möglich 😉 Noch immer habe ich Peru nicht abgehakt. Mit Glück bekomme ich für Montag den 30. Mai einen OP-Termin in der Tagesklinik…
Bis Montag bin ich noch unentschlossen ob ich die Ski mitnehme oder auch das Bike oder einen Kulturtrip mache, oder, oder, oder… Daheim bleiben, no way. Was die Entscheidung noch verhärtet ist, dass ich keine Reisestornoversicherung abgeschlossen habe. Wir hatten 3 Wochen vorher gebucht, was soll da schon passieren…?
Die Tage bis zur OP verbringe ich mit Freunden. Zwei gemütliche Tage klettern, 1x am Wasser in Stams und 1x in Imst. Easy Touren, Balsam für die Seele mit Freunden in der Natur unterwegs zu sein. Sonntag Besuch bei Pia und Montag dann ins Krankenhaus…
Montag 30. Mai 2016
Das Prozedere ist mir bekannt. Schließlich habe ich schon viele Operationen hinter mich gebracht. Nüchtern bis zur OP bleiben, warten.
Im Wartezimmer ist eine etwas verwirrte, alte Dame, die die Krankenschwester nervt, denn sie befolgt nicht deren Anweisungen… Ach herrlich, wie im Kindergarten…
Bis 10.30 Uhr muss ich warten bis ich in den Vor-OP-Saal gebracht werde. Dort wird mir eine Infusion gelegt. Es muss 11 Uhr sein, als ich in den OP-Saal geschoben werde und nach kurzer Inhalation geht es auch schon ins Land der Träume…
Eine Vollnarkose ist immer eine große Belastung und bringt den Kreislauf so richtig durcheinander. Gegen 14.30 Uhr erwache ich das erste Mal, doch ich bin noch viel zu schwach und mir ist schwindlig. Adieu, ich sacke wieder ab…
Im Laufe des Nachmittags kommt der operierende Arzt. Diagnose: drei freie Gelenkkörper wurden im Knie entfernt. 4 Wochen Sportpause. Kein Mountainbiken, keine anspruchsvolle sportliche Betätigung. Boom. Schlagartig ändert sich alles. Mir wird bewusst wie sehr ich es übertrieben habe die letzten Wochen und Monate. Zwar habe ich auf wertvolle Sportpausen geachtet, aber es war wohl doch einfach alles zu viel. So fühlt sich auch mein Körper an – fertig.
Die Schmerzen sind trotz Schmerztabletten nicht angenehm, das Knie ist extrem geschwollen. Ich habe trotzdem das OK, dass ich am Freitag fliegen kann. Ich werde eingedeckt mit Thrombosestrümpfen-, und spritzen, Pinzette und Messer zum selbstständig die Fäden ziehen…
Gegen 18 Uhr werde ich aus der Tagesklinik entlassen. Meine Eltern holen mich dankenswerterweise ab und ich fahre mit Dad nach Hause. Es regnet sehr stark und ich bin noch total fertig. Zuhause ins Bett, wo sich in der Nacht die Nachwehen der Narkose bemerkbar machen. Es dreht sich alles, Schmerzen, da muss ich durch…
Das war nun meine siebte Knie-OP und somit auch meine siebte Vollnarkose. Doch diese hat es in sich. Es dauert über eine Woche bis ich wieder halbwegs normal bin. Lange kämpfe ich trotz Schmerztabletten mit Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen…
Am Mittwoch den 1. Juni bin ich zwar gesundheitlich noch ziemlich angeschlagen, doch meine Freundin und Physiotherapeutin Claudia hat mir einen Termin bei ihr verschafft. Den möchte ich gerne wahrnehmen. Zuerst muss ich allerdings testen, ob ich überhaupt Auto fahren kann. Es geht und somit verabschiede ich mich von meinen Eltern und fahre wieder Richtung Nordtirol… Die Behandlung ist Gold wert, danke Claudsch!
Die nächsten Tage bin ich immer noch auf Krücken unterwegs. Obwohl mir der Arzt Belastung erlaubt hat fühlt es sich überhaupt noch nicht danach an. Und so halte ich mich mal zurück…
Die Tage nach der OP und vor dem Abflug sind mit vielen Gedanken behaftet. Doch mein Körper gibt mir jene Signale, wo ich gar nicht weiter überlegen brauche. Die Narkose zeigt immer noch Nachwehen, das Knie schmerzt. Keine Chance das ich fliege. Auch kein Strandurlaub dort. Die Anstrengungen in der Luft und zu Land, es ist sinnlos… Somit entscheide ich am Donnerstag schweren Herzens nicht nach Peru zu fliegen…
Andi und Nadine kommen auf Kurzbesuch. Holen noch ein paar Dinge ab. Für Joshua unseren peruanischen Freund habe ich noch kurzerhand von meinem Hardware Kooperationspartner Stubai Bergsport 100 Bohrhaken organisiert, damit er dort einen Klettergarten einrichten kann. Das war meine Mission… Ich hoffe ich werde bald Bilder sehen bzw. irgendwann wieder nach Peru reisen. Es ist einfach ein wunderschönes Land, so vielfältig mit so vielen lebensfrohen Menschen… Ich werde sie vermissen meine zwei amigos, jedoch weiß ich auch, dass jene anspruchsvollen Berge die geplant sind, für meinen Fuß nicht machbar gewesen wären… Erinnerungen werden wach an die letztjährige gemeinsame abenteuerreiche und intensive Zeit in Peru… Nun habe ich genügend Zeit zum nachdenken… Buon viaje mi amigos! Passt auf euch auf!!!! Ich werde euch vermissen!
