Das Matterhorn. Ein sehr geschichtsträchtiger Berg. Das Wahrzeichen der Schweiz. Für mich persönlich einer der wohl schönsten Berge in den Alpen. Der bekannteste Berg ist er auf alle Fälle, denn schließlich gibt es sogar eigene Schokolade davon, die übrigens ausgezeichnet schmeckt 😉 Seit Jahren übt das Horu, wie es von den Einheimischen bezeichnet wird, eine starke Anziehung auf mich aus. Mit Skiern die Matterhorn Ostwand abzufahren ist schon lange auf meiner ski-to-do-list, doch hatte es bis dato noch nie funktioniert. Aus vielerlei Gründen…
Diesen Winter war ich bereits zweimal mit Friend und Bergpartnerin Nadine Wallner vor Ort, um die Befahrung an der 45 Grad steilen Ostwand zu machen, jedoch scheiterte es immer an der Schneeknappheit. Eine Befahrung schien bis Ende April unmöglich. Für den Film “Between” von Shades of Winter sollte das Matterhorn auf die große Leinwand, ein neuerliches Zeitfenster wurde für Ende Mai anvisiert… Doch wie so oft im Leben kommt alles anders und things happen for a reason…
Wie es der Zufall will befinde ich mich Anfang Mai gemeinsam mit Lorraine Huber in Chamonix und wir treffen auf Giulia Monego (eine der besten Skialpinistinnen) und Liv Sansoz (französische Klettererin). Dann kommt noch ein Mann ins Spiel: Roberto Rossi (Bergführer aus dem Aostatal, Bekannter von Giulia und Lori). Er will bereits seit 15 (!) Jahren das Matterhorn befahren. Nun sei der richtige Zeitpunkt. Er hatte die beiden Mädels bereits vor ein paar Tagen gefragt, ob sie ihn begleiten würden. Jedoch möchte er von der italienischen Seite aufsteigen. Da die Lifte dort nicht mehr in Betrieb sind, ich den Schweizer Aufstieg bis zur Hörnlihütte kenne, dort die Bahnen noch laufen und wir im gemütlichen Winterraum der Hörnlihütte nächtigen können – warum sollen wir es uns schwer machen?
Und so fahren wir am 4. Mai von Chamonix nach Zermatt. Ich halte meine Erwartungen niedrig, denn so ist eine Enttäuschung auszuschließen… Der 3. Versuch in diesem Frühjahr sollte hoffentlich klappen…
Wir fahren am frühen Vormittag mit dem Zug gemütlich von Täsch nach Zermatt. Mit dem Bus geht es weiter zur Matterhorn Bahn. Auffahrt mit der Gondel. An der Station des Trockenen Steg können wir das Matterhorn in der Frontalansicht begutachten. Und da wollen wir hinauf und hinunter fahren? Von dieser Perspektive sieht es schon recht eindrucksvoll aus… Doch zumindest sehen die Schneeverhältnisse viel besser als die letzten Male aus…

Um noch ein paar Höhenmeter zu sparen, versuche ich mich am Drehkreuz des Schleppliftes vorbei zu schleichen, doch der Liftmann bemerkt dies und kommt aus seinem kleinen Liftlerhaus heraus. Anschiss kassiere ich keinen, aber er verlangt 8 Franken für die Fahrt. Letztendlich hat nur Lori die genaue Summe an Kleingeld für ihn, Giulia zahlt 5 Franken, Liv 7.50, bei mir waren es glaube ich 6 Franken die ich noch in der Hosentasche hatte…
Auf halber Höhe steigen wir aus und queren im Angesicht des Matterhorns den Furg-, und Theodulgletscher.


Wir steigen auf zur Hörnlihütte und erreichen somit unser heutiges Ziel auf 3260m. In der Sonne trocknen wir unsere Socken und lüften unsere Innenschuhe. Mittels Gaskocher beginnen wir Schnee zu schmelzen und blicken Richtung Matterhorn…

Giulia hat mit Roberto Telefonkontakt. Er ist von der italienischen Seite aufgestiegen und ist nun mit zwei weiteren Italienern im Bivaco Bossi. Sie planen noch heute die Ostwand aufzusteigen und die Nacht in der Solvayhütte zu verbringen. Für uns keine Option. Gegen 17 Uhr können wir die drei Männer beobachten, wie sie aufsteigen und recht zügig voran kommen. Die Verhältnisse sehen gut aus…

Währenddessen gibt es bei uns etwas warmes essen. Delikatessmenü von LYO. Travellers’ Lunch vom Feinsten. Hatte Liv mitgebracht. Kann ich echt empfehlen 🙂 Lightweight und lecker! Der Rucksack wird für den nächsten Tag vorbereitet und gegen 20 Uhr legen wir uns bereits schlafen. Tagwache wird um 3.30 Uhr sein. Draussen ist es noch hell und ich kann natürlich nicht gleich einschlafen. Außerdem brummt mir der Schädel. Habe wohl wieder mal zu wenig getrunken…
Gegen 3.30 Uhr klingelt der Wecker. Mei, ich bin ja gerade erst eingeschlafen. Aufstehen, frühstücken, fertig machen und los geht’s. Zu dieser Zeit funktioniere ich meist noch ferngesteuert, aber es funktioniert 😉
Um 4.15 Uhr verlassen wir den Winterraum, fahren ein kurzes Stück ab, fellen auf und steigen bis zu einem großen Felsen auf, wo wir überflüssiges Material für den weiteren Aufstieg, wie Schlafsack und Co deponieren. Somit ist der Rucksack gleich wieder um ein paar Gramm leichter. Steigeisen dran und weiter geht’s.


Giulia spurt, Liv hinterher, danach Lori und last die Mel. Über den Bergschrund sichern wir in der jeweiligen Seilschaft, danach geht es wieder seilfrei weiter. Es geht gut voran.

Ich bin dankbar dass Giulia und Liv die Spurarbeit übernehmen. Der eigentlichen Plan über eine Rinne bis zur Schulter auf 4200 m aufzusteigen wird verworfen, nachdem die zwei Mädels vor Ort zu wenig Schnee vorfinden. An eine Abfahrt ist hier nicht zu denken. Somit queren wir Richtung Solvayhütte und steigen dort so weit wie möglich nach oben. In den frühen Morgenstunden haben wir einen wunderschönen Sonnenaufgang gesehen, das Matterhorn leuchtet uns entgegen und der Blick Richtung Italien ist einfach nur sensationell…




Diese Momente gilt es aufzusaugen. Schließlich sind es die vielen einzelnen gesammelten Momente in unserem Leben, die unser Leben so lebenswert machen…


Es ist 8.15 Uhr als die drei Italiener in die Ostwand einfahren. Ich verstehe nicht ganz warum sie nicht noch ein wenig zuwarten, denn die Schneeverhältnisse sind noch hart, Spass macht die Abfahrt wohl noch nicht. Außerdem befindet sich Lori und ich noch im Aufstieg und sie lösen oberhalb von uns Schnee ab. Nicht gerade angenehm wenn man sich noch im Aufstieg befindet… Hier ihr Video das sie Tage später online gestellt haben:
Auf einer Höhe von 4050m bereitet Giulia unterhalb eines Felsens einen Stand vor. Liv ist auch bereits dort, Lori und ich folgen ein wenig später. Wir machen uns bereit für die Abfahrt. Giulia fragt in die Runde wer als Erstes fahren möchte. Natürlich soll sie als Erste fahren, schließlich hat sie die ganze Spurarbeit geleistet!


Der erste Schwung verläuft etwas zurückhaltend, aber danach ist sie im sogenannten “Flow”, reiht kontrolliert einen Schwung an den anderen. Ich folge ihr. Fühle mich gut. Bin konzentriert. Im Moment. Alles bestens. Für Liv ist es sozusagen die erste “Steilwanderfahrung” und dann gleich das Matterhorn. Doch als ehemaliger Kletterprofi und Basejumperin ist das für sie gut machbar. Schließlich ist sie auch eine super Skifahrerin! Wir motivieren sie und sie macht das bestens! Lori folgt auf Liv. Sie schwingt kontrolliert die Wand hinunter. Wir bleiben immer wieder stehen, um uns gegenseitig zu fotografieren und filmen. Wir harmonieren perfekt als Team. Jede einzelne von uns weiß, was es zu tun gilt, es macht Spass mit den Mädels dieses einzigartige Erlebnis zu teilen.
Die Schneeverhältnisse sind etwas wechselhaft, teilweise trifft man auf ein paar verdeckte Steine knapp unterhalb der Schneeoberfläche, es gilt konzentriert zu bleiben.


Nach dem Bergschrund ein Jubelschrei von uns allen, yes, wir sind das Matterhorn gefahren. Habe ich zu diesem Zeitpunkt noch ehrlich gesagt nicht ganz realisiert. Ich freue mich irgendwie, aber halte mich mit meinen Emotionen doch etwas zurück…

Wir sammeln das hinterlegte Material ein, fahren gemeinsam bis nach Furi, wo so richtig die Oberschenkel brennen und wir uns auf der Sonnenterrasse eines Restaurants wohlverdient Rösti und Radler gönnen. What a day! Wir waren einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort! Danke Mädels, es war mir eine große Freude!
Es ist ein kleiner Film entstanden, der diesen Tag unvergessen macht und zeigt mit welcher Freude wir gemeinsam unterwegs waren. Here we go – enjoy watching:
Danke an die Jungs von http://www.whiteroom-productions.com, im Speziellen an Joi der uns dieses tolle Video geschnitten hat!!!!
Und hier noch ein sehr lesenswerter Bericht von Giulia Monego, die in einem emotionsgeladenen Artikel ihre Erlebnisse beschreibt: